Freitag, August 22, 2025

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Sprache als Schlüssel zur Macht – Ägyptens mehrsprachige Geschichte im Papyrusmuseum

Im Papyrusmuseum der Österreichischen Nationalbibliothek lädt ab dem 12. Juni 2025 eine neue Sonderausstellung dazu ein, Ägyptens Geschichte durch die Linse der Sprache zu betrachten. Unter dem Titel „Die Macht der Worte. Herrschaft und kulturelle Vielfalt im antiken Ägypten“ zeigt die Ausstellung bis zum 3. Mai 2026 mehr als 90 Originalexponate und beleuchtet, wie Sprache über eineinhalb Jahrtausende hinweg nicht nur als Mittel der Verständigung, sondern auch als Werkzeug der Macht diente. Schriftstücke auf Papyrus, Pergament und Papier führen durch eine Zeitspanne von rund 1500 v. Chr. bis 1000 n. Chr., in der sich verschiedene Kulturen, Religionen und Sprachen begegneten – oft parallel zueinander, manchmal im Konflikt, immer aber im Zeichen kultureller Durchdringung.

Die Schau zeigt, wie Ägypten über viele Jahrhunderte hinweg von einem Nebeneinander der Sprachen geprägt war. Während die Verwaltungssprache oft durch die jeweiligen Herrschermächte bestimmt wurde – Griechisch unter den Ptolemäern, Latein unter den Römern, Arabisch im frühen Islam –, blieben lokale Sprachen wie Ägyptisch, Demotisch oder später Koptisch fest im Alltag der Bevölkerung verankert. Das führte zu einer sprachlich vielfältigen Gesellschaft, in der nicht selten ein und dieselbe Person in mehreren Sprachwelten zu Hause war. Zahlreiche zweisprachige Dokumente zeigen, wie flexibel und pragmatisch die Menschen mit dieser Vielfalt umgingen – ob im Rechtsverkehr, im religiösen Leben oder im Alltag.

Besonders eindrucksvoll ist, wie das Spannungsverhältnis zwischen Herrschern und Beherrschten sprachlich verhandelt wurde. In Urkunden, Petitionen und Gerichtsdokumenten wird sichtbar, wie Macht durch Sprache ausgeübt, aber auch hinterfragt wurde. Herrscher sprachen oft eine andere Sprache als die Bevölkerung – und doch musste man sich verständigen. Die Ausstellung zeigt, wie sich über die Zeit hinweg Kommunikationswege etablierten, auf denen unterschiedliche Sprachgruppen auf Augenhöhe interagieren konnten. Dabei spielte nicht nur das gesprochene Wort eine Rolle: Auch Schrift als sichtbares Zeichen von Autorität war entscheidend. Das Beherrschen der Schrift – in welcher Sprache auch immer – bedeutete Zugang zu Macht, Recht und gesellschaftlicher Stellung.

Die Exponate erzählen auf sehr unmittelbare Weise von dieser sprachlichen Realität. Ein Götterdekret in Hieroglyphen auf einer Tonscherbe steht ebenso im Mittelpunkt wie eine griechisch-demotische Kaufurkunde, ein arabischer Verwaltungsbrief an einen christlichen Kanzleischreiber oder eine zweisprachige Litanei aus dem koptischen Klosterleben. Besonders faszinierend ist ein Heiratsvertrag aus dem Jahr 142 v. Chr., der demotisch formuliert und griechisch zusammengefasst wurde – ein Dokument, das eindrucksvoll zeigt, wie tief verwurzelt die ägyptische Tradition auch im Zeitalter hellenistischer Herrschaft blieb.

Doch „Die Macht der Worte“ ist nicht nur eine Ausstellung über das alte Ägypten – sie ist auch ein Spiegel unserer Gegenwart. Mehrsprachigkeit, kulturelle Vielfalt und die Frage, wie Gesellschaften mit Verschiedenheit umgehen, sind hochaktuelle Themen. Die Ausstellung macht deutlich, dass kultureller Austausch und sprachliche Vielfalt keine moderne Erscheinung sind, sondern grundlegende Merkmale menschlicher Geschichte. Wer sich für die Antike interessiert, wird hier ebenso fündig wie alle, die sich für Sprache, Identität und Macht begeistern. Ein Besuch im Papyrusmuseum verspricht tiefe Einblicke – und ein neues Verständnis für die Rolle, die Sprache in der Geschichte gespielt hat und bis heute spielt.

Ausstellungsinformationen

Die Macht der Worte. Herrschaft und kulturelle Vielfalt im antiken Ägypten

Sonderausstellung im Papyrusmuseum der Österreichischen Nationalbibliothek,
Heldenplatz, Neue Burg, 1010 Wien

Kuratiert von Dr. Bernhard Palme und Dr. Angelika Zdiarsky

12. Juni 2025 – 3. Mai 2026
Di–So: 10–18 Uhr, Do: 10–21 Uhr
Eintritt: € 6,- / Führung: € 5,- / Ermäßigungen / Freier Eintritt für alle unter 19 Jahren
Ausstellungskatalog „Die Macht der Worte. Herrschaft und kulturelle Vielfalt im antiken Ägypten” hg. von Bernhard Palme und Angelika Zdiarsky. Wien: Phoibos Verlag, 2025. € 34,-

Andreas Zommer
Andreas Zommerhttps://antike.at
Andreas Zommer ist studierter Historiker, Politikwissenschaftler und Publizist.

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