Donnerstag, Jänner 9, 2025

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Ein Blick in die Vergangenheit: Ein griechisches Papyrusdokument aus der Zeit Alexanders des Großen

In Nord-Saqqara, einem bedeutenden archäologischen Ort nahe der antiken Hauptstadt Memphis, wurde 1972 ein besonderes Stück Papyrus entdeckt. Heute befindet es sich in der Sammlung der Egypt Exploration Society. Der kurze Text umfasst lediglich drei Zeilen, doch diese wenigen Worte deuten auf eine außergewöhnliche Herkunft hin: Der Verfasser könnte einer der höchsten Offiziere Alexanders des Großen gewesen sein.

Der Papyrus enthält eine Anweisung in griechischer Sprache, die möglicherweise an die makedonischen Soldaten in der Region gerichtet war. Die Bedeutung des Fundes liegt nicht nur in der Seltenheit der Schriftstücke aus dieser Zeit, sondern auch darin, dass sie uns Einblicke in das Leben und die Verwaltung während der Besetzung Ägyptens durch Alexander geben. Dieser Befehl, der auf die Jahre 331 bis 323 v. Chr. datiert, ist das älteste überlieferte griechische Dokument, das auf Papyrus verfasst wurde.

Der Papyrus stammt aus einem Bereich nahe dem Tempel des Nektanebo II, einem Pharao der 30. Dynastie, der kurz vor der Eroberung Ägyptens durch Alexander der Große regierte. Die Fundstelle, ein Randgebiet des ausgedehnten Tempelkomplexes, diente vermutlich als Lagerplatz für administrative Materialien. Der Text ist auf ein Stück Papyrus geschrieben, der bis auf einen kleinen Ausbruch auf rechten Seite vollständig erhalten ist und das 35,8 cm x 13,4 cm misst. Er hat oben in der Mitte vier Löcher, die sich nach rechts fortsetzen (nicht aber nach links), vermutlich als Spurenreste einer Befestigung. Der Text selbst beginnt mit dem Namen Peukestas, was darauf hindeutet, dass es sich um eine offizielle Anweisung handelt. Der Name wird in der Genitivform verwendet, was typisch für Schriftstücke aus dem ptolemäischen und späthellenistischen Ägypten ist, in denen der Verfasser oder Auftraggeber der Anweisung gleich zu Beginn genannt wird.

ΠΕΥΚΕΣΤΟΥ
ΜΗΠΑΡΑΠΟΡΕΥΕΣΘΑΙΜΗ
ΔΕΝΑΙΕΡΕΙΩΣΤΟΟΙΚΗΜΑ

Πευκέστου
μὴ παραπορεύεσθαι μη-
δένα· ἱερείως τò οκημα
____________________
3. l. ἱερέως
Von Peukestas:
Niemand soll eintreten.
Es ist der Raum eines Priesters.

Inhaltlich besteht der Befehl aus einer klaren Anweisung, dass niemand die Kammer eines Priesters betreten darf. Dies könnte darauf hindeuten, dass in dieser Kammer vermutlich wichtige religiöse Gegenstände oder wertvolle Schätze aufbewahrt wurden, die von den makedonischen Truppen respektiert werden sollten. Der Ort der Entdeckung, Saqqara, war nicht nur ein kulturelles Zentrum, sondern auch ein bedeutendes Heiligtum, das tief in der ägyptischen religiösen Tradition verankert war. Für die makedonischen Soldaten war dies wahrscheinlich ein faszinierender, aber auch fremder Ort.

Doch die Bedeutung dieses Textes geht über die reine Befehlsgewalt hinaus. Er steht auch für die vorsichtige Balance, die Alexander der Große und seine Nachfolger zwischen militärischer Kontrolle und dem Respekt gegenüber lokalen religiösen Traditionen zu wahren versuchten. Alexander war dafür bekannt, sich an die religiösen Gepflogenheiten der eroberten Gebiete anzupassen, um die Akzeptanz seiner Herrschaft zu fördern. Die Erwähnung eines Kommandanten wie Peukestas in einem solchen Zusammenhang unterstreicht, wie ernst die Makedonier die Einhaltung dieser Regelungen nahmen.

Der Name Peukestas ist im Kontext der Zeit nicht unbekannt. Alexander der Große marschierte 331 v. Chr. in Ägypten ein und wurde von den persischen Besatzern kampflos empfangen. Während seines Aufenthalts in Memphis führte er zeremonielle Opfer durch und setzte sowohl makedonische als auch ägyptische Beamte ein, um die Ordnung im Land zu gewährleisten. Zunächst vermuteten einige Forscher, es könnte sich um den Peukestas handeln, der Alexander in Indien das Leben gerettet hatte. Doch dieser wurde später Statthalter in Persis und war nie in Ägypten stationiert. Stattdessen könnte es sich um einen anderen Peukestas handeln, der laut Arrian (Anabasis 3, 5, 5.) gemeinsam mit Balakros zur Zeit der Eroberung Ägyptens durch Alexander als einer der Kommandanten (strategos) in Memphis tätig war.

Besonders interessant ist, dass der Text auf Griechisch verfasst wurde, obwohl die lokale Bevölkerung größtenteils Ägyptisch sprach. Dies deutet darauf hin, dass das Dokument primär für eine griechischsprachige Leserschaft bestimmt war – wahrscheinlich für die griechischen Offiziere und Soldaten, die in der Region stationiert waren. Der Papyrus zeigt uns damit, dass es in dieser frühen Phase der makedonischen Herrschaft in Ägypten bereits eine klare Hierarchie und Verwaltungsstruktur gab, in der die griechische Sprache eine zentrale Rolle spielte.

Die Anweisung könnte ein Hinweis darauf sein, dass das Gelände um den Tempel streng bewacht wurde und dass fremde Soldaten ferngehalten werden sollten. Möglicherweise hatte der Befehl nicht nur militärischen, sondern auch administrativen Charakter und darauf ab, religiöse Stätten vor neugierigen Soldaten zu schützen oder weiterhin respektvoll mit der Religion der eroberten Ägyptern umzugehen.

Das macht diesen Fund so wertvoll: Er ist nicht nur ein Relikt vergangener Zeiten, sondern auch ein Fenster in das alltägliche Leben und die Verwaltungspraxis einer Epoche, in der zwei Kulturen aufeinandertreffen und miteinander interagieren. So zeigt der Papyrus, wie selbst kurze Anweisungen weitreichende historische Kontexte widerspiegeln können. Er ist ein Zeugnis für die Einbindung lokaler Traditionen in die makedonische Verwaltungspraxis und verdeutlicht, wie Alexander und seine Offiziere versuchten, die Balance zwischen militärischer Kontrolle und religiöser Akzeptanz zu wahren.

Andreas Zommer
Andreas Zommerhttps://antike.at
Andreas Zommer ist studierter Historiker, Politikwissenschaftler und Publizist.

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