Donnerstag, Jänner 9, 2025

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Neue Entdeckungen im Tempel von Edfu: Restaurierungen bringen Gold und Farbenpracht ans Licht

Der Tempel von Edfu, der dem Falkengott Horus gewidmet ist, gilt als eines der besterhaltenen Monumente aus der Ptolemäerzeit. Neueste Restaurierungsarbeiten, durchgeführt von einem Team der Julius-Maximilians-Universität Würzburg in Zusammenarbeit mit dem ägyptischen Ministerium für Tourismus und Altertümer, haben überraschende Details ans Licht gebracht. Spuren von Blattgold, Reste der ursprünglichen farbenfrohen Bemalungen und handschriftliche Graffiti der Priester geben Einblicke in die einstige Pracht und Bedeutung dieses antiken Bauwerks.

Die jüngsten Restaurierungsarbeiten haben Reste von filigranen Blattgoldverzierungen in den oberen Wandbereichen des Tempels freigelegt. Ägyptische Tempel waren nicht nur reichlich bemalt, sondern auch mit Gold überzogen, das zur mystischen Atmosphäre des Heiligtums beitrug. Der symbolische Einsatz von Gold diente der Verewigung der göttlichen Figuren und verlieh dem Raum eine besondere Aura. „Vor allem in Kombination mit einfallendem Sonnenlicht muss der Anblick dieser Räume überwältigend gewesen sein“, erklärt Dr. Victoria Altmann-Wendling, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Ägyptologie und Projektleiterin des Horus-Beḥedety-Projekts.

Normalerweise wurden dickere vergoldete Kupferfolien verwendet, deren Spuren heute oft nur noch als kleine Bohrlöcher in den Wänden sichtbar sind. Die direkt auf die Steinoberfläche aufgetragenen dünnen Blattgoldverzierungen hingegen sind aufgrund ihrer Empfindlichkeit selten erhalten. Der Fund solcher Reste im Tempel von Edfu stellt daher eine archäologische Besonderheit dar.

Ein weiteres Highlight der Restaurierung sind die Überreste farbenprächtiger Malereien, die einst die gesamten Steinreliefs bedeckten. Diese farbigen Details verdeutlichen, dass die Reliefs ursprünglich nicht nur durch ihre Darstellungen beeindruckten, sondern auch durch lebendige Farben, die Elemente wie Schmuck, Blumen auf Opfertafeln oder auch die Augen der Götter betonten.

Fotocredit: Victoria Altmann-Wendling / Universität Würzburg

Im Barkenheiligtum des Tempels konnten die ägyptischen Restauratoren um Ahmed Abdel Naby bedeutende Reste dieser Bemalungen freilegen. Sie haben dabei die von Staub, Vogelkot und Ruß verdeckten Sandsteinreliefs gereinigt und stabilisiert. Besonders faszinierend ist, dass die altägyptischen Handwerker die Farbe nutzten, um fehlerhafte Hieroglyphen zu korrigieren – ein antikes Qualitätsmanagement, das auf eine hohe Wertschätzung der Genauigkeit hinweist. „Hier offenbart sich die Sorgfalt, mit der die Maler ihre Arbeit ausführten“, erläutert Professor Martin A. Stadler, Leiter des Lehrstuhls für Ägyptologie.

Eine besonders aufschlussreiche Entdeckung sind die Dipinti, handschriftliche Graffiti in demotischer Schrift, die von den Priestern hinterlassen wurden. Solche Inschriften sind üblicherweise in äußeren Tempelbereichen zu finden, doch im Heiligtum von Edfu tauchen sie an ungewöhnlichen Stellen auf, wie direkt in der Nähe der Barke und der Statue des Horus. Diese Proskynemata – Gebete und Widmungen an den Gott – geben Einblicke in die religiösen Praktiken und die Bedeutung des Tempels für die Priesterschaft.

„Die Graffiti erzählen Geschichten vom Betreten des Tempels und den rituellen Handlungen der Priester, die sonst nur selten so direkt nachvollzogen werden können“, betont Dr. Altmann-Wendling. Solche persönlichen Zeugnisse ergänzen die offiziellen Inschriften und erweitern unser Verständnis der religiösen Traditionen am Tempel von Edfu.

Fotocredit: Martin Stadler / Universität Würzburg

Der Horus-Tempel von Edfu, erbaut zwischen 237 und 57 v. Chr. unter der Herrschaft der Könige Ptolemaios III. bis Ptolemaios XII., ist eines der größten und am besten erhaltenen Heiligtümer Ägyptens. Mit einer Länge von 137 Metern und einer Höhe von 35 Metern ist der Tempel ein eindrucksvolles Monument der antiken Architektur. Die vollständig mit Inschriften und Reliefs bedeckten Wände enthalten mehr religiöse Texte und Ritualszenen als fast jeder andere Tempel Ägyptens und spiegeln eine religiöse Texttradition wider, die bis ins dritte Jahrtausend vor Christus zurückreicht.

Durch die jüngsten Restaurierungsarbeiten konnten nicht nur die Farben und die einstige Strahlkraft des Tempels wieder sichtbar gemacht werden, sondern auch neue Erkenntnisse über das Leben und die Glaubenswelt der Priester am Tempel von Edfu gewonnen werden. Mit Unterstützung der Gerda Henkel Stiftung sind in den kommenden Monaten weitere Analysen der Pigmente und Blattgoldverzierungen geplant, die möglicherweise noch mehr Details über die künstlerische Gestaltung und die symbolische Bedeutung dieses einzigartigen Bauwerks ans Licht bringen werden.

Andreas Zommer
Andreas Zommerhttps://antike.at
Andreas Zommer ist studierter Historiker, Politikwissenschaftler und Publizist.

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